Sehr geehrte Damen und Herren,
am heutigen Internationalen Tag gegen Rassismus möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mit sofortiger Wirkung von meiner Rolle als Ausschusssprecherin des Ausschusses 4 (Aufenthalts- und Zuwanderungsrecht, Rassismus, Diskriminierung und Flüchtlingspolitik) zurücktrete. Als meinen Nachfolger schlage ich Herrn Bingöl vor.
Mein ehrenamtliches Engagement in dieser Funktion war von großen Herausforderungen geprägt. In der letzten von mir geleiteten Sitzung verließen Mitglieder bewusst die Sitzung, obwohl klar war, dass die Beschlussfähigkeit dadurch nicht mehr gegeben sein würde. Besonders bezeichnend ist, dass einige dieser Mitglieder in der Vollversammlung lautstark Kritik daran äußerten, dass andere frühzeitig gegangen waren. Alle Sitzungen beginnen mit Verspätung. Entscheidungen werden nicht sachlich getroffen, sondern auf Basis politischer oder persönlicher Zugehörigkeiten blockiert. Anträge werden nicht nur abgelehnt – was ein demokratischer Prozess wäre –, sondern es wird darüber gestritten, sie gar nicht erst zu behandeln oder auf die Tagesordnung zu setzen. Lange Diskussionen und emotionale Ausbrüche entstehen nur, weil Vorschläge von einer vermeintlich “rivalisierenden” Liste, Partei oder Nationalität stammen.
Als dunkelhäutige, alleinerziehende Frau, die in Armut lebt, musste ich mir mehrfach anhören, ich sei “privilegiert”. Ich wurde beleidigt, angeschrien und sogar gemobbt – ohne dass Mitglieder, die sich eigentlich gegen Diskriminierung einsetzen sollten, Zivilcourage gezeigt haben.
Ich kann mich an keine einzige Sitzung erinnern, die ohne Beleidigungen oder lautstarke Auseinandersetzungen verlief. Ich werde auch von eigenen Mitgliedern in meiner Rolle nicht respektiert. Ein Beispiel: Nachdem ich als Vertretung von Tina Garway (als sie Sprecherin war) eine Rede bei einer Demonstration auf dem Marienplatz hielt, äußerte ein weibliches Mitglied in meiner Anwesenheit, dass Tina dies beim nächsten Mal bitte selbst tun solle. Ein weiteres Beispiel: Bei der Nuba-Ausstellung Problematik, wurde mir von externen Beteiligten nahegelegt, nicht teilzunehmen, weil ich “nicht schwarz” sei. Ohne Rückhalt vom Vorstand blieb diese diskriminierende Haltung unwidersprochen im Raum stehen.
Meine Neutralität und mein ethisches Verantwortungsbewusstsein als Ausschusssprecherin wurden regelmäßig untergraben. Unsere Protokolle, die eigentlich Ergebnisprotokolle sein sollten, werden nicht von der Verwaltung erstellt, sondern von Mitgliedern und enthalten tendenziöse Formulierungen mehr oder weniger so: “Ein Mitglied wird von der Ausschusssprecherin gezwungen, mit ihren Peinigern oder Extremisten zu arbeiten” – ohne dass meine Perspektive als Sprecherin überhaupt festgehalten wurde. Sehr wahrscheinlich wird das Protokoll aus Gruppenzwang so genehmigt werden.
Die Bearbeitung von Beschwerden und Einzelfällen erfolgt mit massiven Verzögerungen, da eine interne, nicht satzungsgemäße Hierarchie existiert. Ausschusssprecher:innen im Ausschuss 4 dürfen nicht direkt mit Betroffenen kommunizieren, sondern benötigen die Genehmigung einer dritten Stellvertretung im Vorstand. Dadurch verzögern sich dringende Anfragen erheblich. Ein Beispiel: Ein Vater meldete sich im Oktober mit der Bitte um Unterstützung, nachdem sein Sohn in einem Sportverein angegriffen wurde und der Vater daraufhin rassistisch beleidigt wurde. Trotz mehrfacher Erinnerungen meinerseits wurde der Fall erst Monate später bearbeitet, weil ich auf eine Genehmigung zur Kontaktaufnahme warten musste. Die erste offizielle Kontaktaufnahme mit dem Vater konnte erst im Januar erfolgen.
Meine Arbeit wurde häufig behindert. Anträge, die wir in die Vollversammlung einbrachten, wurden von der Verwaltung nicht beantwortet, darunter ein Antrag zu Maßnahmen gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit oder die Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Demokratie. Meine Nachfragen an die Geschäftsstelle zum Sachstand von Anträgen blieben unbeantwortet. Zudem wurde ich von wichtigen Gesprächen zu den Themen Rassismus und Diskriminierung ausgeschlossen, während andere Ausschüsse diese Themen behandelten.
Hinzu kommt, dass wir mit einer Flut an irrelevanten E-Mails belastet werden – darunter Jobangebote von IKEA oder Werbung für kostenpflichtige Computerkurse. Veranstaltungshinweise, die wir selbst organisieren, werden hingegen nicht weitergeleitet. Doch wenn ich als Ausschusssprecherin darum bitte, das Programm der Internationalen Wochen gegen Rassismus an die Mitglieder weiterzuleiten, wird dies ignoriert. Selbst die Ankündigung unserer eigenen Kundgebung erschien erst nach mehreren E-Mails und Erinnerungen – und das lediglich drei Tage vor der Veranstaltung.
Besonders verletzend ist es, dass sich externe Politiker:innen herausnehmen, Menschen mit bestimmtem Aussehen oder Hautfarbe für Reden auf Veranstaltungen „auszuwählen”. Dabei wurde ich demokratisch als Ausschusssprecherin gewählt – und dennoch wird mir untersagt, als Sprecherin zu fungieren.
Ich habe mehrfach versucht, diese Missstände durch Gespräche, freundliche Vermittlung und sogar durch die Organisation einer Mediation zu lösen.
Übrigens versucht nun auch ein Mitglied, die Mediation zu sabotieren, weil der Status quo der Konflikte offenbar beibehalten werden soll.
Ich danke Carmen Romano für die Zusammenarbeit und wünsche ihr viel Erfolg bei der nächsten Sitzungsleitung des Ausschusses 4. Ich hoffe, dass mein Rücktritt im Jahr 2025 nicht im Jahr 2026 als Vorwand für Rufmord genutzt wird, um mich weiter auszuschließen. Die oben genannten Gründe stellen für eine ehrenamtliche Tätigkeit eine extreme Belastung dar. Es sollte zu denken geben, warum der Ausschuss 4 in einer Legislaturperiode von nur drei Jahren mindestens drei verschiedene Sprecherinnen haben wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Tatiana Mendonca